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Betrachtung der Cliq Digital AG Aktie mit besonderem Augenmerk auf der Bedeutung von Sell-Side-Aktienanalysen für die öffentliche Wahrnehmung

Binvest 7

Zugegebenermaßen liest sich der Titel, als würde hier eine in höchstem Maße theoretische Abhandlung auf den Leser warten 😀 Da ich aber gerade beim Schreiben meiner Masterarbeit bin, lässt sich der Schalter im Kopf manchmal gar nicht so leicht umlegen und wie ich finde umreißt der Titel den Inhalt des folgenden Beitrags ganz gut.

Mein Ziel in diesem Beitrag ist es, mich einerseits kritisch mit der Geschäftstätigkeit der Cliq Digital auseinanderzusetzen, um Interessierten einen guten Ausgangspunkt für die eigene Recherche zu liefern.
Andererseits will ich diesen Kontext nutzen, um die Berichterstattung der Analysten zum Unternehmen zu hinterfragen und so den Leser dafür zu sensibilisieren, solchen Analysen nicht blind zu folgen.

Kursentwicklung Cliq Digital (Quelle: https://www.finanzen.net/aktien/cliq_digital-aktie)

Wie die obige Abbildung zeigt, hat die Aktie der Kurs Digital seit Mitte November einen enormen Anstieg hervorgebracht und notiert zur Erstellung dieses Beitrags bei ungefähr 11€.

Mit Blick auf die reinen Geschäftszahlen muss man sagen, dass dieser Anstieg auch teilweise gerechtfertigt ist, da das Wertpapier im November 2019 anscheinend enorm unterbewertet war.

Gefüttert wurde der Kursanstieg durch die Ankündigung, in diesem Jahr erstmalig eine Dividende auszuzahlen, die bei 0,28€ liegt (0,14€ + 0,14€ Sonderdividende), sowie zukünftig eine kontinuierliche Dividendenpolitik von 40% des Nettogewinns auszuschütten (EPS dieses Jahr 0,35€ -> 0,14€= 40%).

Außerdem wurde die Prognose für das Gesamtjahr 2020 angehoben. Wie in den später folgenden Zahlen zu sehen, soll der Bruttoumsatz um mehr als 40% auf 90 Mio€ steigen und das EBITDA um 75% auf mehr als 10 Mio€ erhöht werden.
Im Zuge dieser Maßnahmen überschlagen sich die Analysten auf Basis dieser Prognose mit neuen Kurszielen für die Aktie und sorgen somit für ein deutlich gesteigertes Kaufinteresse der Aktionäre, das sich in dem oben aufgeführten Chart manifestiert.

Auf die einzelnen Geschäftszahlen und Analystenberichte wird im späteren Verlauf noch eingegangen. Zuerst soll der Fokus aber auf der Historie der Gesellschaft liegen.

Nach der Übernahme der Cliq B.V. wurde das Vorgängerunternehmen Bob Mobile AG in 2012 zur Cliq AG umbenannt, wie man in folgender Mitteilung nachlesen kann (Link).

Vergangenheit

Was für Bilder von jugendlichen Saufeskapaden auf Social Media Plattformen eher negativ konnotiert ist, war bei meiner kurzen Recherche dieses Mal natürlich vorteilhaft: „Das Internet vergisst nie“.

Dabei habe ich zum Beispiel diesen Artikel einer Verbraucherrechtsschutzswebsite (schönes Wort) gefunden, in dem die Geschäftspraktiken der Bob Mobile AG beschrieben wurden (Link).
Darin wird bemängelt, dass Bob Mobile AG bei kostenlos anmutenden Facebook-Abfragen (z.B. IQ-Test mit einer simplifizierten Frage) nach Drücken des „Bestätigen*“-Buttons, versteckte Abo’s für Spiele versteckt. Der *-Text, der laut der aufgeführten Website schwer lesbar dargestellt wurde, enthielt laut Website den Satz:
*Rückzahlung der Kosten erfolgt bei fehlender/falscher PIN-Eingabe. Andernfalls erhältst Du max. 3 Spiele pro Woche. Das visionclubgamez Abo kostet 2,99€/Spiel (max. 8,97/Woche inkl. 19% MwSt.). Es gelten die gültigen Internetkosten (WAP, GPRS) deines Providers. Eine Kündigung ist jederzeit per SMS möglich. Hierzu eine SMS mit stop visionclubgamez an die 40500 senden. Mehr Produkte findest Du auf www.bobmobile.de.

Dass diese Vorgehensweise kein Einzelfall in den Geschäftspraktiken der Gesellschaft war, erkennt man zum Beispiel an diesem Artikel und den Kommentaren hier.

Was man aber noch mehr findet als Meldungen von Verbraucherschützern und echauffierten „Kunden“, sind Empfehlungen der Aktie der Bob Mobile AG.
In diesem Artikel hier aus dem Jahr 2010 wird zum Beispiel über einen „Dienstleister für Handy-Service-Applikationen“ gesprochen und argumentiert, dass „Bob Mobile keine Eintagsfliege ist“.
Außerdem wird auf einen Analysten von SES Research verwiesen, der ein Kursziel von 21,50€ rausgegeben hat und gleich noch mit betont, dass in einer früheren Analyse „gewisse Faktoren auf Grund der restriktiven Marktbedingungen nicht berücksichtigt werden konnten und das eigentliche Kursziel bei 30 Euro liegt.“

Hier ist ein weiterer Empfehlungsartikel in dem sich auf die „Experten“ von „TREND INVEST REPORT“ (die heute nirgendswo mehr Erwähnung finden) bezogen wird, die den Geschäftsverlauf der Gesellschaft preisen.

Vergleicht man die damaligen Kursziele mit den oben gezeigten Kursdaten, stellt sich zumindest bis November 2019 ein äußerst ernüchterndes Bild für die Aktionäre dar.

Quelle: Google Finanzen

Man kann sogar sehen, dass die damaligen Berichte den Kurs mittelfristig sogar stark beflügelt haben.
Nach 2013 war die Entwicklung des Kurses aber alles andere als zufriedenstellend.

Eigene Darstellung auf Basis von Daten aus der Morning Star – Datenbank

Ausgelöst wurde dieser Absturz der Aktie natürlich durch eine nicht zufriedenstellende operative Entwicklung. Während der Umsatz bis 2012 durch Zukäufe weiter gesteigert werden konnte, sank vor allem der Gewinn der Gesellschaft enorm. Nachdem im Geschäftsjahr 2010 noch eine Dividende von 1€ (!) nach dem erfolgreichen Geschäftsjahr 2009 ausgezahlt wurde, konnte das ab 2010 nicht mehr gewährleistet werden. Begründung aus dem Geschäftsbericht 2010, S. 4:
„Auf Grund der riesigen Chance, die sich dem Unternehmen im Bereich Online Games bietet, und den damit einhergehenden Investitionen und Anlaufkosten musste eine Wahl im Sinne des Wachstums getroffen werden. Für die Folgejahre plant die Bob Mobile AG jedoch, wieder Dividende auszuschütten.“

ABER da war doch was? Genau, 2012 wurde die Cliq B.V. übernommen und dabei die Anzahl der Aktien der Gesellschaft nach der von Analysten begleiteten kurzfristig sehr starken Aktienperformance der Gesellschaft auf extrem hohen Kursniveau drastisch erhöht. Durch diese Aktienausgabe wurde der Anteilsbesitz der Altaktionäre, die ihre Aktien damals zu über 20€ gehalten haben, enorm verwässert. Die Entwicklung von Umsatz und Gewinn in den Folgejahren muss man unter dem Gesichtspunkt sehr hinterfragen.
Zu sehen ist diese Verwässerung zB an dem Jahresüberschuss 2010 und 2013, der 2010 nur 20% höher war, das Ergebnis pro Aktie war 2010 aber mehr als dreimal so hoch.

Eigene Darstellung auf Basis der Geschäftsberichte der Cliq Digital / Bob Mobile AG

Schaut man sich Entwicklung der Aktienanzahl und des Kurses genau an, ist zu erkennen, dass die Kapitalerhöhungen genau dann erfolgt sind, als die Gesellschaft öffentlich stark wahrgenommen wurde und der Kurs der Aktie sehr hoch stand. Insgesamt hat sich die Aktienanzahl der Gesellschaft seit 2009 mehr als vervierfacht, was bei gleichbleibendem operativen Erfolg die Entscheidungen des Managements zumindest nicht im besten Licht erscheinen lässt.

Ab 2014 kam es dann, wie man in der Tabelle sehen kann, zu keinen immensen operativen Veränderungen und somit führte die Aktie nach dem Abebben des Hypes (bis auf eine kurze Periode 2017-2018) ein Schattendasein in der deutschen Börsenlandschaft.

Guckt man sich die Zahlen genau an, fällt aber auch noch auf, dass zwischen 2017 und 2018 auch eine buchhalterische Besonderheit aufgetreten ist, die mit der Stetigkeit der Abschlusserstellung nicht wirklich im Einklang steht.

Buchhalterische Bedenken

Bei Betrachtung der Zahlen ist mir aufgefallen, dass die Cliq Digital AG erstmalig in ihrem Geschäftsbericht 2018 die Abschreibungen auf Vertragsvermögenswerte (bisher als Kundenakquisitionskosten erfasst) in den Umsatzkosten ausgewiesen hat. Ohne richtige Begründung ist diese Vorgehensweise eher fragwürdig, weil damit das EBITDA als operative Leistungskennzahl deutlich gemindert wurde und wohl auch schon in den Geschäftsberichten zuvor hätte gemindert werden müssen.

Wenn man sich dann allerdings vor Augen führt, dass diese Vertragsvermögenswerte erst als Aktivierung der Marketingaufwendungen entstehen, kann man das als kundiger Aktionär mit Blick auf den IAS 38.69c, in dem die Aktivierung von Marketingaufwendungen im Normalfall verboten ist, schon hinterfragen.
Die Gesellschaft schreibt dazu:

„Die Marketingaufwendungen spiegeln die Kosten für die Gewinnung neuer Kunden und in der Folge für das Umsatzwachstum innerhalb der Gruppe wider. Die Marketingaufwendungen für die Kundenakquisition, die neuen Benutzern der Abonnementdienste direkt zugeordnet werden können, werden als Vertragskosten verbucht und über den Lebenszyklus der Umsätze mit einem Kunden über eine maximale Nutzungsdauer von 18 Monaten abgeschrieben.“ (Geschäftsbericht Cliq Digital AG 2019, S. 25)

(Quelle: Geschäftsbericht Cliq Digital AG 2019, S. 25)

Betrachtet man den IFRS 15, der die Bilanzierung von Vertragsvermögenswerten regelt, finde ich auch in diesem Standard die Aktivierung von Marketingaufwendungen schwierig. Der IFRS 15.93 sagt: „Bei der Vertragsanbahnung anfallende Kosten, die auch ohne Vertragsabschluss entstanden wären, sind zum Zeitpunkt ihres Entstehens als Aufwand zu erfassen, es sei denn, sie sind ausdrücklich dem Kunden anzulasten, ob der Vertrag geschlossen wird oder nicht.“
Unter diesen Punkt fallen nach meiner Interpretation auch Marketingaufwendungen.

Bei über Jahre gleichbleibenden Marketingaufwendungen ist diese Feinheit, wie man in der Abbildung sehen kann, relativ egal. Steigen die Marketingaufwendungen aber in einem Jahr enorm an, hat diese Bilanzierungsmethodik stark positive Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis der Gesellschaft in dem Berichtsjahr, weil ein Teil der Aufwendungen erst im nächsten Jahr verbucht wird.
Ob die Methode buchhalterisch zulässig ist, müssen natürlich der Wirtschaftsprüfer und die DPR entscheiden, aber aus Sicht der Interpretation der Kennzahlen sollte sich jeder Aktionär dieser Vorgehensweise bewusst sein, weil sie bei anderen mir bekannten Unternehmen so nicht durchgeführt wird und somit darauf geachtet werden muss, um eine sinnvolle Vergleichsbasis zu schaffen.

Heutige Geschäftsentwicklung

Wie bereits einleitend angeschnitten und auch in den Geschäftszahlen dargestellt, hat die Cliq Digital AG nach ihrem historisch durchschnittlichen Jahr 2019 die Prognose erhöht. Dabei wurde in der hier hinterlegten Meldungen vom 6.Juli 2020 angegeben, dass der Umsatz auf 90 Mio. € (+40%) und das EBITDA auf mindest 10 Mio € (+75%) erhöht werden sollen. Die Marketingkosten sollen dabei auf 30 Mio.€ (+35%) erhöht werden. Durch die vorherigen Informationen zur Aktivierung der Marketingkosten lässt sich der deutlich überproportionale Anstieg des EBITDA im Vergleich zum Umsatz besser interpretieren und die enorm erscheinenden Skaleneffekte etwas abgeschwächt wahrnehmen (wie groß die Auswirkung wirklich ist, hängt bei diesem Bilanzierungsmodell stark davon ab, wann die Marketingaufwendungen im Jahresverlauf getätigt werden).

Trotzdem will ich diesen Umsatzanstieg natürlich gar nicht schmälern. Corona hat dafür gesorgt, dass deutlich mehr Medien konsumiert werden und das spielt dem Geschäftsmodell der Cliq Digital AG natürlich in die Karten… Doch halt. Was ist denn mittlerweile überhaupt das Geschäftsmodell?

Dafür habe ich mich mal investigativ durch die Researchberichte der Analysten geforstet:

Interessant ist dabei aber noch zu betonen, dass, seitdem es mit Dividendenausschüttung und Gewinnanhebung wieder läuft bei dem Unternehmen, die Zahl der betreuenden Analysehäuser von 2 auf 4 gestiegen ist. Interessenskonflikte:
Die neu akquirierten Analysehäuser Quirin, Hauck & Aufhäuser zeigen in den Interessenkonflikten an, dass sie von der Cliq Digital AG beauftragt wurden und den Bericht zur Überprüfung auch vorher an die Gesellschaft geschickt haben.
Warburg gibt nur an, beauftragt worden zu sein, während EDISON angibt, die standard fee von 49.500 Pfund pro Jahr für die Analysten-Coverage zu erhalten.

Es ist natürlich üblich für Börsenunternehmen für die Coverage zu bezahlen, jedoch ist der Zeitpunkt anscheinend sehr gut gewählt. Durch die hohen ausgegebenen Kursziele wurde der Kurs der Aktie auf jeden Fall sehr in die Höhe getrieben.
Was auch interessant ist: Ab Mai diesen Jahres werden alle Research-Berichte in englischer Sprache publiziert, nachdem zuvor mit Warburg (deutsch) und EDISON (englisch) auch noch der deutschsprachige Anleger explizit angesprochen wurde.

Der Fakt der stark steigenden Erlöse, gepaart mit der deutlichen Stärkung der Analystencoverage und des Explodieren des Kurses lässt mich mit Blick auf die Vergangenheit vermuten, dass wir bei der Aktie spätestens nach der Veröffentlichung des vermeintlich auf den ersten Blick wirklich gut werdenden Geschäftsresultats für 2020 eine Kapitalerhöhung zu hohem Kurs sehen könnten. Einen andere Motivation, vier nicht ganz preiswerte Analystenhäuser zu beauftragen, fällt mir zumindest Ad-Hoc nicht ein.
Aktuell liegt das von der Hauptversammlung genehmigte Kapital, das die Gesellschaft zur Ausgabe neuer Aktien ermächtigt, laut Geschäftsbericht 2019, S. 92 bei 3.094.357 neuen auf den Inhaber lautenden Aktien.

So aber was wird denn in den Research- Berichten zum Geschäftsmodell offenbart? Einfachheitshalber stütze ich mich hier einfach auf den letzten deutschsprachigen, am 16.3. veröffentlichten Bericht der Warburg.

Warburg Research vom 16.3.2020, zu finden unter
(https://cliqdigital.com/wp-content/uploads/2020/03/Cliq_Digital_Comment_20200313_de.pdf)

Außerdem wird darin auf Seite 1 aufgeführt, dass die Produkte „Spiele, Filme, Musik, Hörbücher,
Sportübertragungen und Fitness-Apps“ beinhalten.

Das ist meiner Meinung nach eine ordentliche Diversifikation im Vergleich zu den Geschäftsmodellen der ehemaligen Bob Mobile Ag. Aber gut wie der interessierte Leser vielleicht vermutet, wollte ich mir das dann doch nochmal etwas genauer angucken.
Da habe ich im ersten Research Bericht von Quirin (hier) gefunden, dass der Anteil an der Red27Mobile Limited in 2019 von 51% auf 80% aufgestockt wurde (was laut dem Analysten den Gewinn im Jahr 2020 positiv beeinflussen wird) und habe das Unternehmen dann mal gegoogelt.

Lustigerweise ist die Trustpilot-Seite (3. Googlesuchtreffer), die ich gefunden habe, erst der Grund gewesen, mich näher mit der Gesellschaft zu beschäftigen und diesen -doch nicht mehr ganz so kurzen- Beitrag zu schreiben.
-> Trustpilot-Red27Mobile

In diesem Forum schildern bereits 99 Leute ihre unfreiwilligen „Erfahrungen“ mit dieser britischen Tochter der Cliq Digital AG. Die einzige 3 Sterne-Bewertung (sonst alles 1) kommt von jemandem, der seine Bewertung geändert hat, weil er sein Geld zurückbekommen hat. Ansonsten sind das alles Beschwerden, die an das Geschäftsmodell der Bob Mobile AG erinnern. Ein Großteil der Leute gibt an, dass ihnen 20€ abgebucht worden, ohne jemals einen Vertrag mit der 27RedMobile Limited geschlossen zu haben und dass sich der Refund des Geldes als sehr erschwerlich erweist. Wer die „Erfahrungsberichte“ selbst lesen will, muss einfach nur dem obigen Link folgen.

Ergänzung auf Basis eines Wallstreet-Online-Kommentars von „Imperatom“:
Guckt man sich dazu den Halbjahresbericht 2019 an, kann man erahnen, dass ein Großteil der Gewinne der Cliq Digital AG zu diesem Zeitpunkt vor allem eben aus jener Tochtergesellschaft stammen. Das ergibt sich aus dem unten dargestellten Konsolidierungskreis, indem die Red27 Mobile das vollkonsolidierte Unternehmen ist, an dem die Cliq Digital AG am wenigsten beteiligt ist.
Schaut man dann auf die Gewinn- und Verlustrechnung sieht man, dass der Minderheitenanteil (Non-controlling interest) am Konzernergebnis doppelt so hoch wie der Gewinn der Gesellschafter der Cliq Digital ist. Somit kann angenommen werden, dass ein großer Teil der Gewinne aus dieser dubiosen Gesellschaft stammt und die anderen Tochtergesellschaften durchschnittlich im ersten Halbjahr 2019 Verluste erzielt haben.

Quelle: Halbjahresbericht 2019 Cliq Digital AG (hier), S. 10, 18

Und auch mit Blick auf die Website der Cliq Digital AG (Hier) muss ich sagen, dass nur die News und Investor Relations Seite aus meiner subjektiven Wahrnehmung einen seriösen Eindruck macht. Geht man auf die Reiter Plattform oder Products sind Links angegeben, die bei mir nicht funktionieren, aber jeder ist selbst dazu aufgerufen, sich ein eigenes Bild zu machen.
Auch die App Blinck, die bei Products oben dargestellt ist, finde ich nicht im IOS-Appstore, für Android ist sie wohl existent, aber über die Qualität konnte ich mir leider kein gutes Bild verschaffen.

Zu den Produkten der Cliq Digital lasse ich mich aber auch gerne eines besseren belehren. Also wenn die Links bei einem der Leser funktionieren oder jemand gute Erfahrungen mit dem Unternehmen gemacht hat, kann er das gerne mitteilen.

Die Seriosität des Geschäftsmodells ist für mich also zumindest sehr schwer nachzuvollziehen und bei der 27 RedMobile Limited augenscheinlich widerlegt.
Auch wenn diese Geschäftspraxis der 81%- Tochtergesellschaft in UK vielleicht noch legal ist, ist es aus meiner Sicht einfach falsch, ökonomische Vorteile aus unfairen Geschäften zu generieren und zu hoffen, dass der Betroffene dieses Geld nicht reklamiert.
Wie langfristig ein solches Modell erfolgreich ist, hat man vermutlich nach 2010 bei der Bob Mobile AG in Deutschland gesehen. Die Rechtsrisiken und Risiken durch staatliche Regulierung sind auf jeden Fall erheblich.

Somit sollte sich auch jeder potentielle Aktionär fragen, wie nachhaltig das Geschäftsmodell der Cliq Digital ist. Begünstigt durch temporär billigere Schaltung von Werbung in der Corona-Krise, werden die Marketingkosten dieses Jahr vermutlich sehr effektiv dazu eingesetzt, viele Leute mit den „Produkten“ zu erreichen. Ob das in den Folgejahren so bleibt, darf bei Betrachtung der historischen Performance angezweifelt werden.

Potentielle Aktionäre sollten sich außerdem dessen bewusst sein, dass über 70% der Bilanzposition der Cliq Digital AG aus dem Geschäfts- oder Firmenwert besteht und dass dieser größer als die Eigenkapitalposition der Gesellschaft ist. Sollte es durch einen schlechten Geschäftsverlauf zu einer permanenten Wertminderung des gesamten Goodwill kommen, hieße das, dass die Gesellschaft überschuldet wäre.
Zusammen mit den von mir als bilanziell fragwürdig aufgeführten Vertragsvermögensgegenständen (aka aktivierte Marketingaufwendungen) sind somit rund 53,7 Mio.€ von diesen Bilanzposten betroffen, was rund 79% der gesamten Assets darstellt.

Wichtig zu betonen ist aber noch, dass der Kurs der Aktie natürlich kurz- bis mittelfristig weiter steigen kann. Die Psychologie von Mr. Market ist unergründlich und viele Kleinaktionäre scheinen Gefallen am Unternehmen zu finden.

Über eine transparente Gegendarstellung zu den genauen Geschäftspraktiken der Gesellschaft würde ich mich natürlich freuen. Objektivität steht für mich klar vor dem Bedürfnis, Recht zu haben.
Um den Kreis zu schließen, würde ich außerdem begrüßen, wenn Analystenhäuser, auch wenn sie von der Gesellschaft entlohnt werden, die Geschäftspraktiken auch kritisch hinterfragen. Außerdem sollte nicht jeder vermutlich vorhandene Trend blind in die Zukunft extrapoliert werden, um einen Fair Value der Aktie zu erreichen, der über dem aktuellen Kurs der Aktie des Auftraggebers liegt.
Dass diese Idee naives Wunschdenken ist, lässt sich leider zu häufig beobachten.

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass die Cliq Digital AG historisch eher vorbelastet ist und auch heute zumindest eine der Tochtergesellschaften ein sehr dubioses Geschäftsmodell verfolgt. Zu Beanstanden sind auch die buchhalterische Besonderheiten der Gesellschaft bezüglich der Aktivierung von Marketingaufwendungen. Jeder potentielle Aktionär sollte sich außerdem der sehr Goodwill-lastigen Bilanzaufstellung bewusst sein und selbst die Werthaltigkeit hinterfragen. Mit Blick auf die Vergangenheit der Gesellschaft sollte auch die steigende Analystencoverage hinterfragt und den Kurszielen nicht blind gefolgt werden.
Natürlich kann dieses Mal auch alles anders sein und das Unternehmen verfolgt ein langfristiges und wertschaffendes Geschäftsmodell, aber der kritische Aktionär könnte bei Betrachtung der Vergangenheit daran Zweifel hegen.

Dieser Bericht ist etwas länger geworden, als ich es eigentlich geplant hatte.
An ein paar Stellen geht er natürlich nicht ins Detail und wer hier noch eine Bewertung der Aktie mit Kursziel usw. erwartet, hat ein paar meiner Argumente vielleicht noch nicht ganz nachvollzogen.

Trotzdem habe ich nur im Rahmen meiner Möglichkeiten probiert, einige schnell auffindbare Zusammenhänge oder auch Ungereimtheiten des Unternehmens darzustellen. Diese Darstellung beruft sich keineswegs auf Vollständigkeit und stellt keinesfalls eine Handlungsempfehlung in Bezug auf zugrundeliegende Wertpapiere dar.

Wenn der Bericht dem Lesenden, also Dir, gefallen hat, kann er ihn gerne mit der Welt teilen oder seine Meinung in den Kommentaren verewigen. Auch über Ergänzungen freue ich mich natürlich, falls ich irgendetwas vergessen oder unverständlich formuliert haben sollte.
Wer per Mail informiert werden will, wenn ich eine neue Aktienanalyse veröffentlicht habe, kann dem Newsletter auf der linken Seite folgen. Allzu oft kommt das leider nicht vor, also Spam ist ausgeschlossen 😀

Danke fürs Lesen!

Viele Grüße,
Binvest

  1. Herbert Koch Herbert Koch

    Hallo,
    Danke erstmal, für die tolle Beleuchtung der Cliq Digital AG.
    Vor allem finde ich gut, dass Sie auch mal den Blick zurück ins frühere Rampenlicht fokussierten, weil
    man sich hierdurch eine objektivere Meinung bilden kann und einen Abgleich zum jetzigen Ist-Stand
    bekommt.
    Ich hatte eine Empfehlung von einer Userin bekommen, die aber jetzt noch durch mehrere Empfehlungen von
    Analyse-Häusern regelrecht gehypt werden und da gehen bei mir jetzt die Roten Lampen an, was mir auch Ihre Recherche teils bestätigt.
    Ich werde jetzt erstmal nicht investieren und die einerseits interessante, andererseits aber ambivalente in
    Hinsicht auf Beständigkeit des momentanen Einflusses durch die Corona-Modalität im Auge behalten.

    Nebenbei bemerkt, habe ich leider auch bei Wirecard einen schmerzvollen Verlust zu verkraften, was mich
    jetzt noch etwas sensibilisierter auf das Fundamentale blicken lässt und das ist auch gut so.

    Vielen Dank

    Mit freundlichen Grüssen
    Herbert Koch

    • Binvest Binvest

      Hallo,

      ja also wie geschrieben, kann es durch den Hype der Analysten hier kurz- bis mittelfristig noch deutlich weiter bergauf gehen. Solange sich jemand findet, der bereit ist, mehr für die Aktie zu zahlen, steht dem nichts im Weg.

      Langfristig sehe ich aber einen ähnlichen Verlauf wie nach dem Hype im Jahr 2012 als realistischstes Szenario an.
      Vor allem solche dubiosen Geschäftspraktiken wie im Fall der Red27Mobile rechtfertigen in meinen Augen kein langfristiges Investment in eine Aktie, weil man ja auch selbst auf der anderen Seite hofft, dass bei solchen Vorgehensweise der Staat regulativ eingreift.
      Da, wie gezeigt, diese Tochtergesellschaft den Großteil des Gewinns des Unternehmens ausmacht, wird dieses Wertpapier unabhängig von der Entwicklung der Fundamentaldaten nicht den Weg in mein Depot finden.
      Das ist aber natürlich nur meine persönliche Sicht der Dinge und jeder Anleger/Trader muss seine eigenen Investitionsentscheidungen treffen 🙂

      Danke auf jeden Fall für das Feedback!

      Viele Grüße,
      Marco

  2. Siegfried Hässig Siegfried Hässig

    Guter Research, ich war mehrfach in Cliq investiert und habe gehofft die Abzocktour wäre beendet. Umso erstaunter war der fulminante Anstieg der Ergebnisse und damit des Kurses. Deine Recherche relativiert das Bild.
    Man wandelt auf alten Pfaden. Dies hat kurze Beine.

    • Leute. Investiert doch nicht immer in so einen Müll

      jajaja.. meine ersten 5-10 Jahre war ich auch nicht zwingend besser

  3. Torsten Torsten

    Die Cliq Digital AG, wie auch das Vorgängerunternehmen Bob Mobile AG, sind bei mir immer wieder im „KBV“-Filter hängengeblieben. Das Geschäftsmodell habe ich aber nicht innerhalb von 10 Minuten verstanden und meine eigene Kurzanalyse hat „Finger weg“ gesagt. Ergo war das nur ein sehr kurzes Vergnügen mit Cliq Digital.

    Das sehr schöne und äußerst informative Research bestätigt meine alte Meinung. Und dafür ist man natürlich sehr empfänglich und freut sich über die eigenen Überlegungen, die so falsch nicht gewesen sein können. Egal wie sich der Kurs kurzfristig entwickelt.

    Vielen Dank und weiter so!

    Viele Grüße aus Wuppertal,
    Torsten

    • Ach was. Die Cliq ist die „alte“ Bob Mobile AG ? Verbrecherbande. Haha.

  4. Moin. Die Bude macht also gerade mal 100 Mio Umsatz, 1.5 Mio Gewinn hat aber 20 Beteiligungen quer über die Welt verstreut ? Das stinkt doch schon wieder zum Himmel lol.

    Ich hab Dich auf meine Blogroll gesetzt. Wenn sich die Leute gepflegt mit Buchhaltung langweilen wollen. 🙂

    Bob Mobile sagt mir noch was. Waren auch so kleine Überflieger für eine Zeit, typisch. Was ist am Ende aus denen geworden ? Pleite ? Betrug ? irgendwie verschwunden ? hab ich gar nicht verfolgt.

    Gute Arbeit. Bis dann.
    Robert

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